Knutsch die Erde

Se*ualisierte Gewalt


Ich schreibe poetische Zeilen über sexualisierte Gewalterfahrungen und deren Folgen.
Danke, dass du hier bist.

Bitte atme einmal tief durch, bevor du weiter liest, spüre deinen Körper, und erinnere dich daran, dass es in Ordnung ist, eine Pause einzulegen, wenn du dich unwohl fühlst.



Blogbeitrag, 20. April 2025

Triggerwarnung: Dieser poetische Beitrag behandelt Themen wie Trauma, Angst, Einsamkeit und Schmerz sowie die Tode, die wir sterben müssen, um zu heilen.

Finsteres Licht

Ich kann nicht vorm finsteren Licht wegrennen,
wenn es mich immer wieder besucht:
mit dem Entsetzen, dem Ekel, den Schmerzen.

Ich werde nicht loslassen,
wenn sie zu mir ruft:
die Angst, die Einsamkeit, die Qual.

Ich werde im Beisein meiner selbst atmen,
sie umarmend:
​die Panik, die Hilflosigkeit, die Dissoziation.

Dein Lachen hat das reine Licht gesehen,
meines den Tod.

Die Kälte, die Macht, die Gier –
sie haben sich in meine Weisheit geschrieben,
das Leben zu wissen.

Geschrieben von Ulrike Tabor (Riike)



Blogbeitrag vom 24.03.2024

Während mein Schweigen bricht

Es ist dieses betretene Schweigen, das eine Gesellschaft erfüllt,
sobald ein Trauma den Raum betritt.

Viele Menschen wollen schöne Geschichten hören,
sich nicht belasten, dennoch fragen sie, wie es einem geht.
Es bleibt verwirrend.

Das Eigentliche lässt sich nicht erzählen.
Die tragenden Schmerzen, die Angst an bestimmten Orten, der tägliche Mut.
Darauf so oft das Schweigen, statt ein liebendes Wort.

Einen Teil von mir ausklammern, der meine Biografie enthält.
An fast jedem Ort.

Während das Trauma spricht,
enthüllt ein Schweigen die verstummte Gesellschaft.

Geschrieben von Ulrike Tabor (Riike)



Blogbeitrag vom 18. Juli 2023

Triggerwarnung: Dieser Beitrag erzählt in einem kurzen Gedicht vom Thema der sexualisierten Gewalt und deren Auswirkungen auf die innere Sicherheit und das Wissen, das Kinder nicht haben sollten.

Arbeitstitel: Zerrissenheit

So ist die Welt schlagartig eine ernstere geworden,
entronnen der sorglose Tanz, der einst kindlich in mir lag.
Die vertraute Geborgenheit hat Gewalterfahrung geboren,
im Zuhause meiner Seele, was ich in mir trag.

Geschrieben von Ulrike Tabor (Riike)



Blogbeitrag vom 12. Juni 2022

Triggerwarnung: Diese Zeilen thematisieren die kollektive sexualisierte Gewalterfahung von Frauen sowie ihre innewohnende weibliche und männliche Urkraft.

Überlebende

Ich bin ein Stern im Universum.
Ich bin ein Tropfen im Wasser.
Ich bin ein Klang der Erde.

Ich bin eine von vielen,
die in den Zyklen der Natur des Mondes und der Sonne sind.

Die Urkraft einatmend,
ausatmend dieselbe Kraft.

In der Ebbe erholend,
in der Flut erhebend.
Die Elemente vereinend,

im Schutz der Mutter Erde gebärend,
den Samen des Vaters Himmels haltend.

Bin ich im Ungleichgewicht gewachsen,
in Urwissen getaucht.
Meine Perlenfrucht geraubt.

​Ich bin eine von vielen,
Überlebenden,

getragen durch Kräfte des Unrechts,
zerrissen worden,
gehalten in der Harmonie.

Geschrieben und vertont von Ulrike Tabor (Riike)



Blogbeitrag vom 10. November 2018

Triggerwarnung: Dieser Beitrag behandelt einen Poetry-Slam-Text zum Trauma der sexualisierten Gewalt, der Zerrissenheit und der Heilung durch das Mitgefühl anderer Menschen.

Das Lachen ist ein Pfennig – zum Trauma der sexualisierten Gewalt

Auftritt, 10. November 2018, Open Stage in Franz Mehlhose Erfurt

Es wird gesagt und darüber gesprochen. In vielen Artikeln kann man es lesen. Leg deine Vergangenheit ab. Lebe heiter, lebe froh. Jetzt lebe so. Leb dein Leben. Lass dich von deinen Träumen nicht berauben und beschütz deinen Mut, daran zu glauben, deinen Weg zu gehen, diesen frei zu fegen von allem Mist, der auf diesem Weg noch zugegen ist.

Vergangenheit ist Zukunft, ist Gegenwart und Jetzt. Sie ist in einem Leben und zugegen.

Was ist, wenn du deine Freude an dein Leben einem anderen Menschen solltest übergeben? Wenn man dich mit einem Fingerschnipp entfernt von deinem Wert und allen Lebenstipps, von all deinen Träumen dich beraubt und du nun fern auf dein Leben schaust?

Wenn deine Freude als Glasscherbenspiel klingt und der Vogelchor von nun an als erstarrter Ton vom Baum für dich singt, dann ist dein Lachen ein Pfennig geworden. Es liegt verschlossen und verhüllt, verborgen, geborgen und geschützt in deiner Hand.

Wenn deine Wurzeln einmal brechen, kannst du sie nicht einfach zusammenrechen. Dann siehst du zu, wie andere Menschen Lebenstipps befolgen, Freudenträume und auch Misserfolge leben, während du versuchst, im Scherbenhaufen zu überleben. Versuchst, dich zu finden, zu vertrauen, die Knospen wieder schleichend zu erreichen, versuchst zu lesen, zu verstehen, dich besonders zu sehen, während von den Seiten Ratschläge auf dich frachten, musst du das Dunkel betrachten.

Du fegst und fegst und suchst nach deinem Leben und siehst, wie andere ihre Träume erleben. Während auch Sorgen sie umgeben, können sie sich in Umarmungen benehmen, können unbeschwert sein und lachen, weil sie zugegen sind im Leben und Freude leben, weil jemand Freude hatte, ein Lachen in der Zeit an sie weiterzugeben.

Dein Lachen ist ein Pfennig geworden. Es liegt eingehüllt, verschlossen, verborgen, geborgen und geschützt in deiner Hand.

Während man dein „Nein“ küsst, weißt du, dass diese Umarmung ein Riss in deinem Leben ist. Von nun an klingt deine Freude als Glasscherbenspiel und der Vogelchor als erstarrter Ton vom Baum für dich singt.

Dein Lachen ist ein Pfennig, sein Wert verhüllt, verborgen, geborgen, verschlossen in der geschlossenen Hand. Du stehst dabei weder in der Ecke noch in der Mitte deines Lebens. Du schwebst am Rand. Du fegst und fegst, während drumherum die Menschen in ihre Lebensträume entschwinden. Versuchst du schleichend im Scherbenhaufen, deine Freude und die Liebe zum Leben wiederzufinden. Du weißt, dass Träume zu leben sind. Du kapierst es und hörst, wie sie zugegen und einzig wertvoll zu leben für andere Menschen sind. Du akzeptierst, du respektierst, während dein Lachen in einem Hauch weggepustet wurde mit dem Wind.

Leb dein Leben. Lebe heiter, lebe froh. Jetzt lebe so!

Dein Lachen ist ein Pfennig. Es liegt verborgen, geborgen und geschützt in deiner Hand.

Was nun, was tun? Dabei sein im Leben, weiter Ratschläge kaufen. Lebe heiter, lebe froh. Jetzt lebe so (im Scherbenhaufen).

Wenn man nur noch einen Pfennig hat, kann man ihn nicht von sich geben. Man schwebt am Rand, man steht auch mal und viel zu oft daneben.

Und öffnet man die Hand, der Pfennig klirrt zu Boden. In dem Moment braucht man Freunde, die applaudieren und einen für diesen Mut loben. Freunde, die sich im Dunkeln mit dir erquicken, während dich leere Hände und dunkle Scherben anblicken, die einen halten, Fragen stellen und einen einen Raum lang durch die Gegend tragen, die Blumen pflücken, dich beschenken, Tee kochen, ... helfen, den Scherbenhaufen bunt zu bepflastern und neu zu bestücken.

Die nicht erwarten, auch nicht auf Raten. Pfennige, die sie gaben als Lohn, zurückzuhaben. Die einfach die Freude und die Liebe aus ihrem Leben in deine geschlossene Hand legen.

Wenn es springt und klingt und plumpst auf deinem Wegen, dann weißt du, dass Pfennig und Pfennige sich mehren.

Auf Substanz kann man alles bauen.

Wenn Pfennige nicht mehr in die Hände passen, dann kannst du wieder versuchen, dich auf den Bestand des Pflasterweges zu verlassen. Dann kannst du voller Stolz trällernd mit einem Liedchen auf den Lippen laufen durch die Gassen.

Der Vogel schwirrt zur Butterblume, der Wind bestäubt mit neuen Samen deinen Weg. Der Vogelchor, er räkelt sich, er gähnt. Ein Zwischenton erklingt, der von der Freude singt.

Das Lachen ist kein Pfennig mehr, wenn Menschen Liebe in geschlossene Hände legen. Denn dann kannst du dich, wenn auch unbeholfen, in Umarmungen benehmen.

Während du fegst und dich das Leben wieder dabei küsst, siehst du, schmunzelnd, wie der Mistkäfer wie Pac Men erheitert eine und noch eine und noch eine Scherbe in der Lücke auf den Pflastern frisst.

Vergangenheit ist Zukunft, ist Gegenwart und Jetzt. Sie ist in einem Leben und zugegen.

Das Lachen ist kein Pfennig mehr, wenn Menschen ohne Lohn und ohne Raten zu erwarten Freude in geschlossene Hände legen.

Wenn Pfennig und Pfennige sich mehren, dann kann man es hören, das Springen und das Plumpsen auf den Pflasterwegen und sehen, wie offene Hände fortan neue geschlossene beschweren.

Geschrieben von Ulrike Tabor (Riike)
Erste Fassung, 27. Oktober 2018